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Wechseljahre: Rezeptpflichtige Hormone bleiben riskant
Etwa zwei Drittel aller Frauen leiden zirka zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr unter hormoneller Dysregulation, nur ein Drittel fühlt sich unbeeinträchtigt. Neben den berüchtigten Hitzewallungen und Schweißausbrüchen kommt es oft zu Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Gewichtszunahme, trockenen Schleimhäuten, Leistungsschwäche und Gelenkschmerzen. Die Beschwerden sind von Frau zu Frau sehr verschieden ausgeprägt und jede Frau sollte entsprechend individuell behandelt werden. Verschreibungspflichtige Hormone – auch wenn sie das neue Label bioidentisch tragen – sind meines Erachtens nur im Ausnahmefall ratsam und können auf Dauer schaden. Warum das so ist und welche naturheilkundlichen Alternativen sich im Klimakterium anbieten, erläutere ich in meinem folgenden Blogbeitrag.
In den Wechseljahren stellen die Eierstöcke allmählich ihre Hormonproduktion ein. Nach und nach kommt es zu einem Rückgang von Progesteron, dann des Östrogens und später (manchmal erst Jahre nach der letzten Blutung) auch der Androgene (männliche Hormone). Einige Frauen haben damit kaum Probleme: Entweder, weil sie so viele Hormonrezeptoren besitzen, dass sich z. B. eine Östrogenabnahme nicht bemerkbar macht (die Wirkung von Hormonen an den Zielzellen wird über Rezeptoren vermittelt; je mehr davon vorhanden sind, umso besser kommt eine Frau mit wenigen Hormonen klar). Vielleicht produzieren die Nebennieren und eventuell die Eierstöcke auch noch genug Androgene, die an anderen Stellen des weiblichen Körpers, etwa im Fettgewebe, in Östrogene umgewandelt werden.
Auf Grund solcher günstiger Konstellationen hat ein kleinerer Teil der Frauen in den Wechseljahren kaum oder keine Probleme. Die meisten aber erleben diese Umbruchphase als physisch wie psychisch belastend. In den 1970er bis 1990er Jahren griffen denn auch Millionen Frauen zu schulmedizinischen Hormongaben auf Rezept, um Hitzewallungen und andere Beschwerden nicht länger ertragen zu müssen. Herz- und Knochengesundheit sowie Schönheit bis ins hohe Alter garantierte die Pharmaindustrie gleich mit. Erste Studien zu den Hormonmedikamenten, die auf Thromboserisiken und weitere Gesundheitsgefahren hinwiesen, wurden zunächst nicht allzu ernst genommen. Einen Paukenschlag löste dann allerdings 2002 eine Studie der US-amerikanischen Women’s Health Initiative (WHI) an 16.608 postmenopausalen Frauen im Alter zwischen 50 und 79 Jahren aus: Sie musste vorzeitig abgebrochen werden, da sowohl das kardiovaskuläre als auch das Krebsrisiko (Brust- und Ovarialkarzinome) unter der kombinierten Östrogen-Gestagen-Therapie mehrfach erhöht waren.
Selbst dadurch erhielt die Hormonersatztherapie (HET), eines der größten Arzneimittelexperimente der Medizingeschichte, aber nur vorübergehend einen Dämpfer. Nachdem eine Langzeitauswertung der WHI-Studie in den USA deren Ergebnisse zum Teil relativierte und in den letzten Jahren so genannte bioidentische Hormone auf den Markt kamen, die in Bezug auf ihre Struktur den körpereigenen Hormonen gleichen, ist die HET in Teilen der Schulmedizin rehabilitiert. Die Pharmaindustrie freut sich über Dauerkundinnen. Bioidentische Geschlechtshormone werden als natürliche, sanfte und risikoärmere Alternative zu den früheren synthetischen Östrogenen und Gestagenen propagiert. Tatsächlich sind 17-Beta-Östradiol, Progesteron & Co. verträglichere Hormonvarianten, die sich besser in das körpereigene Hormonsystem einfügen, zumal sie zum Teil über die Haut angewendet werden können. Aber dass sie deshalb auch risikoärmer sind, ist bisher nicht bewiesen und unter Medizinern und Pharmazeuten umstritten. Denn die bioidentischen Medikamente wirken in verschreibungspflichtiger Dosierung ähnlich effizient wie ihre synthetischen Vorgänger und können zu unphysiologisch hohen (das heißt, höheren als den natürlich im Körper vorkommenden) Hormonspiegeln führen, wie sie Frauen ohne HET, wenn überhaupt, nur in jüngeren Jahren aufweisen. Als Reaktion reduziert der Körper unter Umständen irreversibel die Zahl seiner Hormonrezeptoren, was zur Folge haben kann, dass eine Frau dauerhaft, also auch nach den Wechseljahren, auf Hormongaben angewiesen ist.
Doch je länger Hormone in unphysiologischen Milligramm-Dosen in den Körper strömen, während sie dort natürlicherweise nur in winzigsten Bruchteilen dieser Mengen (Messgröße Piktogramm) vorkommen, steigen auch die Risiken der HET wie z. B. die Gefahr, an Brustkrebs zu erkranken. Hormone sind nun einmal Wachstumsfaktoren und auch bioidentische Hormone müssen abgebaut und ausgeschieden werden. Östrogen etwa wird dabei zu verschiedenen Metaboliten (Nachfolgehormonen) umgebaut, die vor Brustkrebs schützen können oder aber das Risiko dafür verstärken – je nachdem, über welche genetischen Voraussetzungen und Enzyme eine Frau verfügt, wie sie sich ernährt und wieviel sie sich bewegt, ob sie an einer Schilddrüsenfehlfunktion leidet, Übergewicht hat, Alkohol konsumiert oder raucht. Die vielen Einflussfaktoren erklären auch die zum Teil widersprüchlichen Studienergebnisse zu den Tumorrisiken einer Hormonsubstitution. Inzwischen ist zudem erwiesen, dass Östrogengaben nur vor einem Herzinfarkt oder Schlaganfall schützen, so lange eine Frau über gesunde Gefäße verfügt. Ist dies nicht der Fall, verstärkt eine HET sogar die Gefahr, dass sich Plaques lösen und Gefäße verstopfen.
Doch wie können sich Frauen die Wechseljahre auf natürlichere Weise erleichtern?
• Zunächst sollte abgeklärt werden, ob die den abnehmenden Geschlechtshormonen zugeschriebenen Symptome nicht andere Ursachen haben (Schilddrüse, Nebennieren, Darm, Leber) oder eventuell anders aufgefangen werden können: zum Beispiel ein Libidoverlust aufgrund von Androgenmangel durch mehr körperliche Bewegung, Verzicht auf Alkohol und leichte Gewichtsreduktion.
• Heilpflanzen wie Frauenmantel, Traubensilberkerze, Sibirischer Rhabarber, Mönchspfeffer und Salbei sind wirksame natürliche Helfer bei Hitzewallungen, Schlafstörungen, Aufgedunsenheit, Antriebslosigkeit, Gereiztheit, Brustspannen und trockenen Schleimhäuten. Es gibt sie zum Teil in Tablettenform, als Urtinktur oder spagyrische Essenz aus der Apotheke. Eine an Nähr- und natürlichen hormonregulierenden Stoffen reiche pflanzliche Ernährung kann zudem schon präventiv sehr viel bewirken.
• Hormonelle Dysbalancen und Schwankungen können durch homöopathische bioidentische Hormonzubereitungen reduziert werden. Diese Mittel bergen nicht die Gefahr der Überdosierung und gefährden deshalb nicht die körpereigene Hormonproduktion. Über die Haut werden sie besonders gut aufgenommen.
• Die Hormonregulation im Organismus ist hochkomplex. Regelmäßige Laborkontrollen der Hormonwerte sind wichtig, aber nur im Kontext der individuellen Beschwerden wirklich aussagekräftig. Die eine Frau kann mit Hormonwerten leben, die bei einer anderen gravierende Beschwerden auslösen.
• Es ist auch eine Frage der seelisch-mentalen Verfassung, inwieweit der Veränderungsprozess im Alter akzeptiert und die neue Lebensphase nicht als Schlusspunkt, sondern als Beginn einer größeren Freiheit gesehen werden kann. Psychotherapie im Sinne einer Ordnungstherapie kann zudem dazu beitragen, anstehende Lebensthemen zu bearbeiten und Prioritäten zu überdenken. Da Hormone extrem auf Stress reagieren, sind Auszeiten, Entspannung und Lebensfreude jetzt besonders wichtig.
Bei sehr starken Wechseljahresbeschwerden oder vor dem 40. Lebensjahr beginnenden Klimakterium ist auf jeden Fall ein Frauenarzt zu Rate zu ziehen, ob Hormonmedikamente verordnet werden müssen – aber auch dann sollten diese so kurz und niedrig dosiert wie möglich genommen werden.