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Östrogene aus dem Lot: Die Ursache kann im Darm liegen
Nach dem Absetzen der Pille, zu Beginn der Wechseljahre, aber auch schon in früheren Lebensphasen leiden viele Frauen unter einem Östrogenüberschuss bzw. einer Östrogendominanz*, einer hormonellen Verschiebung zwischen Östrogenen und Progesteron zu Gunsten der Östrogene. Dadurch kann es zu vielfältigen Beschwerden kommen, zum Beispiel Wassereinlagerungen, Zunahme an Gewicht und Bauchfett, Stimmungsschwankungen, Zyklusstörungen und Prämenstruellem Syndrom (PMS). Ist der Östrogenspiegel aus dem Lot, zeigt sich bei einer Laboranalyse in vielen Fällen eine Dysbalance der Darmbakterien. In der Folge kann überschüssiges Östrogen vom Körper nicht adäquat abgebaut werden.
Die Rolle der Darmbakterien. Dass der Darm einen wichtigen Einfluss auf den Hormonhaushalt hat, darunter auch auf Östrogene und östrogenhaltige Verbindungen, darauf verweist die moderne Medizinforschung (1, 2): Ist die Darmflora, das intestinale Mikrobiom, intakt, exprimieren verschiedene Darmbakterien wie zum Beispiel Bacteroides, Escherichia coli und Clostridien genau die richtige Menge des Enzyms Beta-Glucuronidase, die Voraussetzung für einen ausgeglichenen Östrogenspiegel ist. Eine gute Regulation der Östrogene hängt also eng mit einem gesunden Darm zusammen. Eine Dysbalance in der Zusammensetzung der Darmbakterien hingegen kann die Aktivität der Beta-Glucuronidase stören, was zu einer Unter- oder Überversorgung mit freiem Östrogen führen kann.
Rezirkulation von Hormonen im Körper. Dazu muss man wissen, dass unsere Geschlechtshormone nicht dauerhaft im Blut kreisen, sondern nach ihrer Verwendung im Körper zu Abbauprodukten (Metaboliten) umgebaut und anschließend vor allem mit der Gallenflüssigkeit eliminiert werden. Dafür sind Leber und Darm zuständig. Die Beta-Glucuronidase bewirkt, dass Östrogene – aber auch andere Endobiotika wie zum Beispiel Schilddrüsenhormone oder Vitamin D sowie Umweltsubstanzen wie Toxine oder Wirkstoffe von Medikamenten – nicht ausgeschieden werden, sondern zurück in den Körperkreislauf gelangen. Diese Rezirkulation bestimmt mit über deren Konzentration und Bioverfügbarkeit im Organismus. Bei zu hoher Beta-Glucuronidase kann es also unter anderem zu einem Östrogenüberschuss kommen, bei zu niedriger zu einem Östrogenmangel – beides als Folge einer ungünstigen Zusammensetzung der Darmflora.
Ursachen eines Östrogenüberschusses. Natürlich kann zu viel Östrogen im Körper weitere Ursachen haben wie die individuelle genetische Disposition, Lebensstil-Faktoren (Stress, Übergewicht, hormonhaltige Medikamente) und so genannte Xenoöstrogene, die aus der Umwelt zum Beispiel über Kosmetika in den Körper gelangen. Auch wenn noch weitere Forschungsarbeiten erforderlich sind, gibt es heute schon überzeugende Hinweise, dass eine adäquate Konzentration an Beta-Glucuronidase-exprimierenden Darmbakterien eine ganz wesentliche Voraussetzung für einen ausbalancierten Östrogenspiegel und damit Wohlbefinden und Gesundheit ist (1, 2).
Diagnose und Therapie. Im Labortest können die Beta-Glucuronidase-Konzentration im Stuhl und die Zusammensetzung der Darmflora festgestellt werden. Auf Basis einer solchen Analyse, die bei einem erfahrenen, darauf spezialisierten Labor durchgeführt werden sollte, ist es möglich, individuelle Therapieempfehlungen zu entwickeln, um über gezielte Ernährung, Mikronährstoffe, Phytotherapeutika sowie Prä- und Probiotika die Darmgesundheit und damit den Hormonhaushalt zu optimieren.
Was Sie selbst tun können:
• Auf eine ausgeglichene, darmgesunde Ernährung mit vielen Ballaststoffen (Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, fermentierte Lebensmittel) sowie gesunden Fetten (adäquates Omega‑3/6/9‑Verhältnis; Vermeiden von Transfetten) achten. Nicht zu fettreich essen.
• Dass häufige Antibiotika-Gaben das Darm-Mikrobiom schädigen und auf das notwendige Maß reduziert werden sollten, pfeiffen inzwischen die Spatzen von den Dächern. Weniger bekannt ist, dass auch die Antibabypille die Darmflora negativ beeinflussen kann (3). Außerdem raubt sie dem Körper Mikronährstoffe, die unter anderem für die Hormonbildung wichtig sind.
• Um die Leber zu entlasten, Nikotin, Alkohol und Koffein reduzieren bzw. vermeiden. Und prüfen, ob man wirklich die Antibabypille braucht. Wie alle Medikamente muss auch sie von der Leber abgebaut werden.
* Eine relative Östrogendominanz kann natürlich auch bei adäquatem Östrogenspiegel in Folge von zu wenig Progesteron entstehen, dies wird Thema eines späteren Beitrags sein.
Literatur:
(1) Baker, J. M. et al., “Estrogen-gut microbiome axis: Physiological and clinical implications”, Maturitas vol. 103 (2017): 45–53. Doi: 10.1016/j.maturitas.2017.06.025;
(2) Sui, Y. et al., “The Role of Gut Microbial β‑Glucuronidase in Estrogen Reactivation and Breast Cancer”, Frontiers in cell and developmental biology vol. 9 631552. 12 Aug. 2021. Doi: 10.3389/fcell.2021.631552;
(3) Mihajlovic, J. et al., “Combined hormonal contraceptives are associated with minor changes in composition and diversity in gut microbiota of healthy women”, Environmental microbiology vol. 23,6 (2021): 3037–3047. Doi:10.1111/1462–2920.15517