Basics in der Ernährung

Gesunde Ernährung: Verwirrung und Wahrheit

In meinem ersten Blog möchte ich ein Thema aufgreifen, mit dem wir fast jeden Tag in den Medien konfron­tiert sind und das gerade uns Frauen sehr beschäf­tigt: die Flut immer wieder neuer Ernäh­rungs­wahr­heiten und das Verspre­chen von “garan­tiert funktio­nie­renden” Diäten. Aber helfen uns diese wirklich, gesund(er) zu essen? Oder verhin­dern nicht eher die ständig wechselnden Trends, die Überfrach­tung des Essens mit Status- und Symbol­fragen und die vielen Akteure mit finan­zi­ellen Inter­essen in diesemMarkt die Einhal­tung positiver Ernäh­rungs­ge­wohn­heiten? Ich plädiere statt dessen für eine Rückkehr zu den “Basics”.

Wenn es eine Frage gibt, in der sich Evidenz­ba­sierte Schul­me­dizin und Natur­heil­kunde heute einig sind, dann ist es diese: der großen Bedeu­tung der Ernäh­rung für die mensch­liche Gesund­heit. Zirka 50 Prozent aller Krank­heiten, so schätzen Vertreter beider Richtungen unisono, sind ernäh­rungs­ver­ur­sacht oder zumin­dest ‑assozi­iert. Das heißt, Auswahl und Zuberei­tungs­weise der Lebens­mittel, die wir zu uns nehmen, haben auf Dauer großen Einfluss auf unser Wohlbe­finden. Das ist vielen Menschen, zumin­dest latent, bewusst, und das ist ja auch der Grund für die riesige mediale Präsenz des Themas: Im Fernsehen perma­nente Kochshows und Talkrunden, in denen ideolo­gi­sche Ausein­an­der­set­zungen etwa zwischen Fleisch­essern und Vegeta­riern oder Befür­wor­tern und Gegnern von Kohlen­hy­draten ausge­tragen werden. Ein vor Diätvor­schlägen, “Ernäh­rungs­wahr­heiten” und wechselnden Ess-Moden überquel­lendes Internet sowie Zeitschriften und Bücher, die damit Auflage und/oder Anzeigen generieren.

Natür­lich lassen sich Chiasamen, Hanföl und andere so genannte Super­foods sowie ausge­klü­gelte Diätvor­schläge besser vermarkten und verkaufen als so banal klingende, aber aus der Erfah­rung abgelei­tete wirksame Tipps wie etwa gut zu kauen oder die Mahlzeiten genuss­voll zu gestalten. Geld verdienen kann man damit nicht. Natür­lich kann man die Frage des Verzehrs von tieri­schem Eiweiß unter verschie­densten Aspekten disku­tieren. Aber wenn darüber in Verges­sen­heit gerät, welche gesund­heits­för­dernde Rolle zum Beispiel tradi­tio­nell Gewürze und Kräuter in der Küche gespielt haben, wäre damit im Hinblick auf die Gesund­heit auch nicht viel erreicht.

Jenseits aller Ess-Moden und Diät-Neuerfin­dungen sollte sich eine gesund­heits­be­wusste Ernäh­rung aus meiner Sicht vor allem an grund­le­genden Erkennt­nissen orien­tieren, die indivi­duell an den eigenen Alltag angepasst werden können und dadurch auch langfristig umsetzbar sind. Wenn Sie folgende zehn Gebote berück­sich­tigen, tun Sie mehr für sich, als wenn Sie jedes Jahr eine neue Diät ausprobieren:

  1. Maßvoll in der Menge und angepasst an die eigene Verdau­ungs­kraft essen (“Was dem Schmied bekommt, bringt den Schneider um.”). Nach einer Mahlzeit sollte man sich weder beschwert noch müde fühlen.
  2. Je nach Grund­kon­sti­tu­tion sind zwei oder drei – regel­mäßig einge­nom­mene – Mahlzeiten am Tag ausrei­chend (sofern man kein Leistungs­sportler ist). Nur essen, wenn man hungrig ist, das heißt, wenn die vorhe­rige Mahlzeit vollständig verdaut ist. 
  3. Zwischen­mahl­zeiten vermeiden, nicht aus emotio­nalen Gründen essen (zum Trost etc.).
  4. Bewusster Genuss: Ein schön ausse­hendes, köstlich schme­ckendes Essen in angenehmer Umgebung unter­stützt nicht nur die Psyche, sondern stimu­liert auch die Verdauung und damit die Resorp­tion von Nährstoffen (“Das Auge isst mit”, “Das Wasser läuft mir im Munde zusammen.”). 
  5. Gut kauen und die Mahlzeiten in Ruhe einnehmen (nicht immer prakti­kabel, aber auch eine Frage von Prioritäten).
  6. Sofern die Produkt­qua­lität stimmt und es sich in diesem Sinne um “echte” und nicht um denatu­rierte Lebens­mittel handelt, kann der Gesunde (!) grund­sätz­lich alles essen. Dabei Bio-Lebens­mittel und regio­nale Produkte wegen des (oft) besseren Geschmacks und der gerin­geren Pesti­zid­be­las­tung bevorzugen.
  7. Möglichst oft selbst kochen – abwechs­lungs­reich und mit saiso­nalen frischen Zutaten. Warme Nahrung ist grund­sätz­lich vorzu­ziehen, da leichter verdau­lich. Weniger Kaltes und Rohes essen (z. B. Salat eher als Beilage und nicht als vollstän­dige Mahlzeit).
  8. Gemüse so viel und so vielfältig wie möglich verzehren, Obst wegen der enthal­tenen Fruktose nicht im Übermaß. Rund 400g Gemüse und 250g Obst täglich sind eine gute Menge. Langsam resor­bier­bare Kohlen­hy­drate bevor­zugen: Vollkorn­pro­dukte und Hülsen­früchte treiben den Insulin­spiegel weniger in die Höhe als schnell resor­bier­bare Einfach­zu­cker und enthalten zudem meist mehr Ballast­stoffe, Vitamine und Mineral­stoffe (sind aller­dings auch schwerer verdau­lich, was bei Darmer­kran­kungen eine Rolle spielen kann).
  9. Zucker und Zucker­er­satz­stoffe, schäd­liche prozes­sierte Fette wie Trans­fette (zum Beispiel in Frittiertem, in Fertig-Backwaren und zahlrei­chen Snacks) sowie – wegen der darin enthal­tenen Fremd- und Zusatz­stoffe – indus­triell verar­bei­tete Lebens­mittel weitge­hend beschränken. Diese Stoffe können vom Organismus nicht adäquat verar­beitet werden und lösen zudem bioche­mi­sche Ungleich­ge­wichte aus, von denen Neuro­wis­sen­schaftler sagen, dass sie Sucht­ver­halten stimulieren
  10. Last but not least: Den Tag mit einem großen Glas warmem Wasser beginnen (vor dem Frühstück), um den Flüssig­keits­ver­lust der Nacht auszu­glei­chen, den Stoff­wechsel anzuregen und Nieren­steinen und Blasen­in­fek­tionen vorzubeugen.

Viele Ernäh­rungs­rat­geber mit angeb­lich ultima­tiven Wahrheiten rücken statt­dessen immer wieder ausschnitt­artig andere Details in den Vorder­grund, um über Gesund­heit und Geschmack weit hinaus gehende Bedürf­nisse des Einzelnen (Essen zur Selbst­op­ti­mie­rung oder als “Ersatz­re­li­gion”) zu bedienen. Sie sind meines Erach­tens oft ideolo­gisch überfrachtet und führen aufgrund ihrer Einsei­tig­keit zu falschen Ergebnissen.

Dies illus­triert eine kleine Erzäh­lung aus älterer Zeit: Ein Schüler fragte seinen Meister, wer gesünder und länger leben werde, der Fleisch­esser oder der Vegeta­rier. Worauf der weise Lehrer antwor­tete: “Der, der besser kaut.”