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Mediterrane Ernährung: Ein Festmahl für den Darm
Worin die großen gesundheitlichen Vorteile einer mediterranen Ernährung bestehen, erläutere ich in diesem Blogbeitrag im Hinblick auf den Darm, unser Superorgan, das für unser körperliches wie seelisches Befinden essenziell ist. Allerdings ist mit mediterraner Kost nicht der heute weit verbreitete Essstil in südlichen Ländern mit Pizza, Pasta und gezuckerten Softdrinks gemeint, sondern die traditionelle Ernährungs- und Lebensweise, wie sie bis in die 1950er und 1960er Jahre vor allem in Italien und Griechenland (Kreta) kultiviert wurde. Dass wir so viele Elemente wie möglich daraus übernehmen sollten, möchte ich Ihnen mit diesem Beitrag ans Herz legen.
Traditionelle mediterrane Ernährung. Die Vielzahl der häufig interessengeleiteten und widersprüchlichen Diäten, mit denen wir heutzutage konfrontiert werden, sorgt für viel Verwirrung, was gesundes Essen ausmacht. Dabei existiert seit den 1950er Jahren mit der traditionellen mediterranen Ernährung (TME) ein medizinisch umfassend erforschtes, wertvolles Konzept: Eine überwiegend pflanzliche, abwechslungsreiche Kost mit einem hohen Gehalt an Ballaststoffen und an antientzündlich und antioxidativ wirkenden Polyphenolen (z. B. Anthocyane in roten Beeren, Curcuminoide in Kurkuma, Gingerol im Ingwer oder Procyanidine in Kakaobohnen). Die Grundlage der TME bilden Gemüse, Kräuter, Gewürze, Pilze, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Vollkorngetreide, Obst, Nüsse und Olivenöl, alles naturnah – heute würde man sagen ökologisch – erzeugt und frisch zubereitet. Fisch, Meeresfrüchte, Geflügel und Eier standen ergänzend auf dem Speiseplan. Kuhmilch, rotes Fleisch, Wurst, Weißmehlbackwaren, Süßigkeiten und hochverarbeitete Lebensmittel wurden dagegen selten oder nicht verzehrt. Der amerikanische Ernährungswissenschaftler Ancel Keys hatte in den 1950er Jahren den Begriff der mediterranen Diät geprägt, nachdem er in Italien darüber geforscht hatte, warum dort Herzkreislauferkrankungen so viel seltener auftraten als in den USA.
Darm und Gesundheit. Zahlreiche Studien und Metaanalysen haben seitdem gezeigt, dass die vital- und ballaststoffreiche TME das Risiko reduziert, zum Beispiel an Herzkreislauferkrankungen, Typ-2-Diabetes, Neurodermitis, rheumatischen Leiden, einigen Krebsarten und selbst an Demenz zu erkranken wie auch das Sterberisiko insgesamt. Eine wichtige Rolle dabei spielen die Bakterien in unserem Darm. Der modernen Mikrobiomforschung verdanken wir die Erkenntnis, dass das Mikrobiom im Darm wesentlich mitbestimmt, wie sich die Ernährung auf unsere körperliche und psychische Gesundheit auswirkt. Die Substanzen in der Nahrung stimulieren jeweils bestimmte Bakterienarten zur Produktion von unzähligen Stoffwechselprodukten. Diese gelangen ins Blut, fungieren als Botenstoffe und beeinflussen so praktisch alle Organsysteme.
> Intestinale Mikrobiota: Im Vergleich zur typischen westlichen Ernährung sorgt die TME für eine vielfältigere und stabilere Bakterienbesiedlung und einen höheren Anteil an für den Menschen nützlichen Bakterien. Diese tragen zur Senkung des Insulin- und Cholesterinspiegels bei, produzieren B‑Vitamine wie B1, B12, Folsäure und Biotin sowie Vitamin K und halten im Darm Bakterienarten in Schach, die dort nicht oder nur in moderater Zahl vorkommen sollten. Eine Dysbiose (Ungleichgewicht der Darmflora) mit einer Zunahme entzündungsfördernder oder Toxin produzierender Bakterien wird dagegen vermehrt unter fett‑, zucker- und sehr eiweißreicher Kost und einem Mangel an Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen wie Polyphenolen beobachtet.
> Darmschleimhaut und ‑barriere: Ballaststoffabbauende Bakterien produzieren die für den Menschen extrem wichtigen kurzkettigen Fettsäuren wie Essig, Butter- und Propionsäure. Von besonderer Bedeutung für den Darm ist die Buttersäure (Butyrat). Sie liefert rund 80 Prozent des Nahrungssubstrats für die sich alle fünf bis sieben Tage erneuernden Darmzellen, stimuliert die schützende mukosale Schleimbildung, hat antiinflammatorische und antikanzerogene Wirkung. Kurzkettige Fettsäuren sorgen für die Integrität der Barrierefunktion der Darmschleimhaut, also dafür, dass Nährstoffe vom Darm in den Blutkreislauf resorbiert werden, aber Toxine, Pathogene und Allergene nicht in den Körper eindringen. Bei durchlässiger Darmbarriere (“Leaky Gut”) kann es zu chronischen Entzündungsprozessen im gesamten Organismus (mit der Folge chronischer Erkrankungen) wie auch zu überschießenden Immunreaktionen wie Allergien kommen.
Stabile Darmflora bis ins hohe Alter. Vielleicht kann ich mit diesen Ausführungen die Eine oder den Anderen animieren, die Ernährung in Richtung “Mediterrane Kost” zu verändern. Um bis ins hohe Alter eine stabile Darmflora mit hoher Diversität und vielen gesundheitsfördernden Bakteriengruppen zu erhalten, ist allerdings etwas Konsequenz und Geduld erforderlich. Zwar hat auch schon jede einzelne Mahlzeit Auswirkungen auf die Darmflora, nach einem vitalstoffreichen Mittagessen blühen einzelne “gute” Bakterienunterarten regelmäßig wieder auf. Doch bis zu einer insgesamt stabilen Florabalance braucht es etwas Zeit, zumal der Verzehr ballaststoffreicher Nahrungsmittel langsam gesteigert werden sollte. Es müssen erst einmal ausreichend Bakterien im Darm heranwachsen, um die Faserstoffe abzubauen. Die positive Nachricht lautet: Die für unsere Gesundheit wichtigen Bakterien, die vielleicht durch anhaltende Fehlernährung, chronischen Stress oder Einnahme von Antibiotika verdrängt wurden, sind nicht ausgestorben – sie warten nur darauf, von uns wiederbelebt zu werden.