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Intervallfasten: Wunderwaffe zur Gewichtsregulation?
Fasten, insbesondere das intermittierende Fasten, ist auf Grund der positiven gesundheitlichen Wirkungen gerade jetzt im Frühjahr angesagt. Vielen Menschen geht es dabei vor allem um den Abbau störender Fettpölsterchen. Neue Studien zeigen allerdings, dass auch das Intervallfasten für eine dauerhafte Gewichtsreduzierung richtig gestaltet werden muss und sogar kontraproduktive Effekte in Bezug auf das schädliche Bauchfett möglich sind.
Bei der am meisten verbreiteten Form des Intervallfastens, dem 16:8, wird nur in einem Zeitfenster von acht Stunden am Tag gegessen; in der restlichen Zeit gibt es nur Wasser und Kaffee oder Tee ohne Zucker und Milch. Um die 16-stündige Phase ohne Nahrung durchzuhalten, umfasst die Karenzzeit die Nacht und es wird entweder auf das Frühstück oder das Abendessen verzichtet. Zu den positiven gesundheitlichen Effekten gibt es bisher vor allem Studien an Mäusen, aber auch für den Menschen gilt wissenschaftlich als gesichert, dass während der Nahrungspausen – wie generell beim Fasten – der Stoffwechsel aktiviert wird. Es findet eine Art Recycling-Programm für die Zellen statt, Zellabfälle können besser abgebaut und chronische Entzündungen reduziert werden. Was die Gewichtsabnahme angeht, sind die positiven Wirkungen von 16:8 in den bisherigen Studien hingegen nicht so überzeugend. Warum das so ist, wird derzeit untersucht.
Studie (1): Energieaufnahme begrenzen
Wissenschaftler vom Cardiovascular Research Institute der University of California, San Francisco, wiesen kürzlich in einer Studie an 112 übergewichtigen Frauen und Männern (BMI im Mittel: 32,7) nach, dass auch beim Intervallfasten eine gesundheitsrelevante Gewichtsreduktion nur zustande kommt, wenn gleichzeitig die Kalorienaufnahme sinkt (1). Die 16:8‑Gruppe durfte nur im Zeitfenster von 12 Uhr mittags bis 20 Uhr abends essen, während die Kontrollgruppe täglich drei Mahlzeiten und einen Snack verzehrte. Über die gesamte Studiendauer von drei Monaten erhielten beide Gruppen die gleiche Energiemenge. Das Ergebnis: Eine ähnliche (leichte) Gewichtsabnahme in beiden Gruppen, die lange Esspause über Nacht spielte offenbar keine Rolle. Auch weitere Parameter wie Nüchtern-Glukose, Nüchtern-Insulin, Langzeitblutzuckerwert HbA1c und die Körperfettmasse unterschieden sich nicht. Interessanterweise aber tendierten die Intervallfaster dazu, in den ersten vier Wochen ihre Kalorienmenge zu reduzieren und diese gegen Ende der drei Monate kontinuierlich zu steigern. Dagegen blieb die Energieaufnahme in der Kontrollgruppe (drei Mahlzeiten plus ein Snack) zunächst länger konstant und fiel zum Ende der Studie sogar langsam ab.
Studien (2) und (3): Nahrungskarenz morgens oder abends?
Die in der Untersuchung eingesetzte Form des 16:8‑Fastens, das Weglassen des Frühstücks, entspricht der üblichen Praxis, da viele Menschen leichter darauf als auf das Abendessen verzichten können. Aber vielleicht liegt gerade darin das Problem der mangelnden Wirksamkeit. Das lässt zumindest eine weitere Studie von 2020 vermuten, in der untersucht wurde, wie sich 16:8 bei gleicher Kalorienaufnahme mit dem Frühstück oder alternativ dem Abendessen auf den Glukose- und Energie-Stoffwechsel auswirkt (2). Die männlichen Probanden nahmen ihre Hauptmahlzeit mehrere Tage einmal in Form des Frühstücks und einmal in Form des Abendessens auf. Das Resultat: Unabhängig vom Gesamtkaloriengehalt der Tageskost (hoch- oder niederkalorisch) fielen sowohl der Blutzucker- als auch der Insulinanstieg nach der morgendlichen Hauptmahlzeit signifikant geringer aus als nach der abendlichen. Ein Ergebnis, das nicht nur für Diabetiker interessant ist, da hohe Insulinspitzen generell gesundheitsschädlich sind. Es bestätigt eine frühere Vergleichsstudie über zwölf Wochen, die zeigte, dass bei übergewichtigen Frauen der Verzicht auf die Hauptmahlzeit am Abend zu einer größeren Gewichtsreduktion und besseren Zucker- und Fettstoffwechseleinstellung führt (3).
Studie (4): Resistentes Bauchfett
Etwas Wasser in den Wein um den Hype des Intervallfastens gießt eine hochaktuelle Studie aus diesem Monat: Die Forscher von der Universität Sydney analysierten an Mäusen (deren Physiologie bei schnellerem Stoffwechsel der des Menschen ähnelt), wie sich deren Fettdepots veränderten, wenn sie einmalig oder aber für längere Zeit intermittierend fasteten (4). Zwar legten die jeweils resultierenden Proteinveränderungen im Fettgewebe auf den ersten Blick nahe, dass das Intervallfasten, wie auch erwartet wurde, die Fettverbrennung anregt. Doch weitere Untersuchungen zeigten, dass dieser positive Effekt nur für das Unterhautfettgewebe zutraf, während das viszerale (Eingeweide-)Fett der Mäuse kontinuierlich zunahm. Der Grund: Während des intermittierenden Fastens stieg in dem schädlichen inneren Bauchfett rund um die Organe die Synthese von Fettsäuren an und die Enzyme zum Fettabbau wurden herunterreguliert. Die durchaus alarmierende Schlussfolgerung der australischen Wissenschaftler, die natürlich der Bestätigung am Menschen bedarf: Die Fettdepots im Bereich der Taille, um die es beim Abnehmen ja gerade geht, weil sie vielfältige Gesundheitprobleme auslösen und unterhalten können, passen sich mit der Zeit an die längeren Nahrungspausen an und schalten in eine Art Sparmodus.
Esspausen und Mahlzeitenrhythmen
Intermittierendes Fasten ist also nicht unbedingt die Wunderwaffe zur Gewichtsregulierung, als die es oft dargestellt wird. Aber es kann Menschen dabei helfen, ihre Nahrungsaufnahme zu kontrollieren und zu reduzieren (was wie bei anderen Formen des Fastens auch zu einer Gewichtsabnahme führt). Ebenso bedeutsam: Intervallfasten kann dabei unterstützen, täglich mehrstündige Esspausen und regelmäßige Mahlzeiten einzuhalten, wichtige Rhythmen, die angesichts der ständigen Verfügbarkeit von Nahrung in unserer Überflussgesellschaft vielfach verloren gegangen sind. Davon abgesehen, sind die frische Zubereitung und Qualität der Mahlzeiten entscheidend – egal, ob wir zwei oder drei am Tag zu uns nehmen.
Mein Tipp: Auch wenn man nicht intervallfastet, empfiehlt es sich für die Darmgesundheit, zwischen Abendessen und dem Frühstück am nächsten Tag eine zwölfstündige Nahrungskarenz einzuhalten. In der Regel sollte auch auf Snacks zwischen den drei Mahlzeiten verzichtet werden.
PS: Eine kurze Zeit nach Erscheinen dieses Blogs veröffentlichte Metaanalyse der renommieren Cochrane Collaboration bestätigt die getroffenen Aussagen: Kein nennenswerter Unterschied in der Gewichtsabnahme bei Intervallfasten und einer durchgehend kalorienreduzierten Ernährung. Vielleicht noch wichtiger: Das Intervallfasten hatte nach Einschätzung der Cochrane-Experten auch keine klinisch bedeutsamen Effekte in Bezug auf Blutwerte wie Glukose, Lipide und HbA1C, ebenso wenig auf BMI und Blutdruck (5). Gegenstand der Cochrane-Analyse waren allerdings nicht die entzündungshemmenden Effekte des Intervallfastens, die langfristig ebenfalls einen positiven Einfluss auf das Körpergewicht haben können.
(1) Lowe, D. A. et al., Effects of Time-Restricted Eating on Weight Loss and Other Metabolic Parameters in Women and Men With Overweight and Obesity: The Treat Randomized Clinical Trial, JAMA internal medicine vol. 180,11 (2020): 1491–1499. Doi: 10.1001/jamainternmed.2020.4153
(2) Richter, J. et al., Twice as High Diet-Induced Thermogenesis After Breakfast vs Dinner On High-Calorie as Well as Low-Calorie Meals, The Journal of clinical endocrinology and metabolism vol. 105,3 (2020): dgz311. Doi: 10.1210/clinem/dgz311
(3) Jakubowicz, D. et al., High caloric intake at breakfast vs. dinner differentially influences weight loss of overweight and obese women, Obesity (Silver Spring, Md.) vol. 21,12 (2013): 2504-12. Doi: 10.1002/oby.20460
(4) Harney, D. J. et al., Proteomics analysis of adipose depots after intermittent fasting reveals visceral fat preservation mechanisms, Cell reports vol. 34,9 (2021): 108804. Doi: 10.1016/j.celrep.2021.108804
(5) Allaf, M. et al. Intermittent fasting for the prevention of cardiovascular disease (Review). Cochrane Database of Systematic Reviews 2021, Issue 1. Art. No.: CD013496. https://doi.org/10.1002/14651858.CD013496.pub2